Tod dem Overkill

Michel Gammenthaler Kolumne Bright Entertainment September 2014Michel Gammenthaler Kolumne Bright Entertainment September 2014

Eine Zeit lang war ich überzeugt, dass sich die Welt jeden Tag schneller und noch schneller und noch etwas schneller drehen würde. Bis wir alle, wie von einem gigantischen Karussell, spielzeuggleich ins unendliche All geschleudert würden.

Streckenweise war mir wirklich alles zu viel. Heerscharen von handy-hypnotisierten Zombies, die blind in den Fussgängerzonen rumstaksten, machten mich fassungslos. Mit Kopfhörern hirnversiegelte Dauersedierte, die vorgaben gleichzeitig zum Soundhören auch noch Konversation führen und Gratiszeit lesen zu können, ekelten mich richtiggehend an.

Konsumieren, Absorbieren, Ausprobieren, Aufsaugen, Auspressen, Reinziehen, Runterladen, Klicken, Liken, Posten. Ständig. Immer. Überall. Keine Verbindlichkeiten mehr. Vielleicht. Maybe. Generation Maybe. Wenn ich das nur schon höre. Würg.

Dabei bin ich der erste der sich über die digitalen Vorzüge unserer Zeit freut. Vor ein paar wenigen Jahren erst musste ich noch Stunden aufwenden, um die Termine aller Familienmitglieder aufeinander abstimmen zu können. Heute synct sich die Geschichte selber.

CDs hortete ich bergeweis, Büchern stapelten sich in luftige Höhen, heute lese ich Ebooks und streame mir die Musik dazu

Wie macht man eine Sauce Bernaise? Wann kommt mein Zug an? Wie viele Berggorillas leben in Zaire? Fragen auf die ich heute innert Sekunden eine Antwort bekomme.

Trotzdem. Runterdosieren tut not und gut. Wir alle müssen unseren Umgang mit der immer präsenten digitalen Welt Tag für Tag neu definieren. Darüber nachdenken. Nicht einfach vorbehaltslos jedem Trend hinterherhecheln und ständig, ständig, ständig online sein. Was für eine Wohltat ist es doch, sich auszuklinken. Hier ein paar Tricks, die das Leben umgehend wieder etwas "echter" machen:

Sie sitzen mit Ihrer Verabredung im Restaurant. Ihr Gegenüber verlässt für einen Moment den Tisch... Greifen Sie für einmal NICHT zum Handy. Lassen Sie es einfach in der Hosentasche. Schauen Sie sich stattdessen um. Studieren Sie die Umgebung, die Menschen, die Einrichtung. Da ist eine ganze Welt. Mehrdimensional und in realtime! 

Es ist Sonntag. Kein Termin, keine Verpflichtungen, ein ganzer Tag liegt vor Ihnen. Machen Sie einen medienfreien Tag! Schalten Sie vom Aufstehen bis zum Schlafengehen keines Ihrer belustigenden Beriesel-Geräte ein. Kein Smartphone, kein Tablet, kein TV, kein Radio, kein Laptop, kein MP3-Player. Ein Kick sondergleichen.

Lassen Sie Ihr Handy zu Hause, wenn Sie das nächste Mal auf Besuch gehen. Sie werden sich wie ein Ausserirdischer fühlen. Nur das die besuchten Erdenbewohner technisch weiter sein werden als Sie. Trippig.

Schalten Sie ab. Und falls es langweilig wird: Halten Sie die Langeweile aus. Das sind wir uns gar nicht mehr gewohnt. Sie werden staunen, was alles mit Ihnen passiert... Wellness für's Hirn. Abschalten. Jetzt.

Michel Gammenthaler | September, 2014

— Bright Entertainment AG
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