Interview mit Beatrice Müller: "Was ist eine gute Moderation?"

Eine Moderation ist dann gut, ...

... wenn es gelungen ist, die Botschaft des Podiums, die man vermitteln will, verständlich an den Mann und die Frau zu bringen. Das Publikum soll sich sagen können: Aha, das wollten die Gäste uns sagen, das war die Kernbotschaft. Wenn der Aha-Effekt ausbleibt, ist das Gespräch gescheitert.

Die Moderation sollte das Gespräch sanft lenken und leiten. Das ist eine hohe Kunst.

Wenn Sie ein Podium leiten, kommen ja verschiedene Leute zu Wort. Ist es nicht schwierig, da einen roten Faden reinzubringen?

Und ob. Viele Teilnehmer schwatzen einfach drauflos. Sie sind sich gar nicht bewusst, wie wirr ihre Aussage ist. Viele Leute, auch Politiker und Wirtschaftsvertreter, überschätzen ihr rhetorisches Talent. Da muss die Moderation eingreifen und versuchen, die Leute festzunageln und nachzufragen: Was wollen sie eigentlich sagen? Welches ist ihre Botschaft?

Gibt es Diskussionsteilnehmer, die da resistent sind?

Oh ja. Viele Leute kommen unvorbereitet in eine Diskussion. Ach, ich kann das dann schon, ich weiss ja so viel, sagen sie sich. Doch sie können es eben nicht. Und viel wissen heisst noch nicht, dass sie das Wissen verständlich und attraktiv transportieren können. Sie schwatzen und schwatzen und niemand hört zu. Wenn jemand seine Botschaft nicht in fünf Sätzen formulieren kann, kann er es auch in fünfzig Sätzen nicht. Die Moderation hat dann die Aufgabe, diese langfädigen Exkurse zu unterbrechen, und zwar an einer Stelle, wo es nicht unanständig wirkt. Das ist nicht immer einfach.

Hat man Sie schon kritisiert, wenn Sie Leute unterbrochen haben?

Ich versuche, mit Charme zu unterbrechen. Das funktioniert meist. Und das Publikum habe ich ja auf meiner Seite, wenn ich einen langweiligen Redefluss endlich stoppe.


"Die Moderation sollte das Gespräch sanft lenken und leiten.
Das ist eine hohe Kunst."

 

Wie bereiten Sie sich vor, wenn Sie eine Diskussion leiten, also das Gespräch moderieren?

Das Wichtigste ist der Anfang und der Schluss einer Diskussion. Wenn der Anfang dröge ist, schläft das Publikum schon ein. Wenn der Schluss ausfranst, hinterlässt man einen schalen Eindruck. Ich versuche, einen attraktiven Einstieg zu finden, vielleicht etwas Witziges. Und ich versuche, einen fulminanten Schlusspunkt zu setzen. Eine Diskussion ist wie ein Theaterstück, da ist viel Dramaturgie dabei. Eine Diskussion soll abwechslungsweise aus schnellen und langsamen, aus spannenden und ruhigeren Teilen bestehen. Nur mit Abwechslung kämpft man gegen die Langeweile. So versuche ich eine Diskussion zu steuern. Das ist nicht immer einfach. Wenn man uninspirierte Leute auf dem Podium hat, ist die Moderation oft machtlos. Manchmal allerdings gelingt es, sie aus ihrem Dämmerzustand zu wecken. Und das sind Highlights, die mich jeweils sehr freuen.

Was raten Sie Leuten, die an Diskussionen teilnehmen?

Sie sollen unbedingt vorher mal ein Auftrittstraining absolvieren. Sie sollen lernen, in wenigen Sätzen ihre Kernbotschaft zu formulieren. Diese Kernbotschaft muss attraktiv, verständlich und vielleicht farbig formuliert sein. Das kann ein langer Prozess sein. Es gibt Leute, die stundenlang an einer Kernbotschaft arbeiten und sie dann ganz salopp vortragen. Die Teilnehmenden sollen lernen, auf was es ankommt, wenn man vor Publikum auftritt.

Ich trainiere gezielt Leute, die in Talkshows auftreten wollen. Dabei filme ich sie mit einer Kamera. Viele erschrecken, wenn ich ihnen das Video vorspiele. Man sieht so seine Defizite – und seine Stärken. Die nonverbale Kommunikation ist oft wichtiger als die verbale.

Die ersten Sekunden eines Auftritts sind die wichtigsten. Wer den ersten Eindruck verpatzt, kann ihn nicht mehr reparieren. Wer auf ein Podium schlurft, hat schon verloren. Wer den Blickkontakt mit dem Publikum scheut, gilt als verklemmt. Wer die Augen nervös hin- und herbewegt und mit den Füssen wippt zeigt, dass er nervös und ängstlich ist. Es ist von Vorteil zu wissen, wie man wirkt, wenn man unter Stress steht. Denn ein Auftritt ist eine sehr ungewohnte Situation. Es gibt einige  Stolpersteine, die einen zu Fall bringen können. 

Wer Autofahren lernt, nimmt 10 oder 20 Fahrstunden. Aber wer auftritt, ist oft überheblich und glaubt, er brauche kein Training; er doch nicht. Ich sage immer allen: Leisten Sie sich Fahrstunden, leisten Sie sich vor einem Auftritt ein Training. Ein missglückter Auftritt kann Ihre Karriere zerstören.

 

[ Beatrice Müller ist Kommunikations-Expertin mit reicher Erfahrung.  Sie war während 30 Jahren als Journalistin, Reporterin, Produzentin und Filmemacherin für TV und Rundfunk tätig. Als Anchor Woman hat sie das Schweizer News-Flaggschiff „Tagesschau“ jahrelang mitgeprägt. ]

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R.I.F.E.L. - Research Institute for Exhibition and Live-Communication

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Newsletter November 2017